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Wolfgang Herzer

Biografie
Mitwirkende
Werkbeschreibung
Ausstellungen

 

Wolfgang Herzer wurde 1948 in Lübeck geboren, sein Vater war Arzt, wie viele suchte er im Nachkriegsdeutschland eine Stelle, die Mutter war mit 17 Hilfskraft in einem Lazarett gewesen.

Die familiären Wurzeln liegen im oberpfälzisch-böhmischen Raum, nahe dem KZ Flossenbürg und dem späteren Eisernen Vorhang.

Dort hin kehrten seine Eltern 1955 mit Sohn und Tochter zurück. Der Zielort war Wöllershof und war ein Lungen-Sanatorium in der hinteren Oberpfalz.

Der Vater war als Leiter der neuen thorax-chirurgischen Abteilung, die er aufbaute und sein Leben widmete, sehr erfolg- und segensreich. Wolfgang, das ältere von drei Kindern, von noch einer Schwester und einem Bruder, erlebte hier frühe Jahre, die zauberhaft und schrecklich zugleich waren, sie spielten sich auf einer einsamen sozialen Insel ab, ja fast in der Isolation, denn gegenüber der Außenwelt hatte hier die Angst vor der Tuberkulose, der Seuche dieser Zeit, einen Graben gezogen.

Dahinter aber begann eine eigene, zauberhaft erscheinende Welt, die täglich aufs Neue einlud, mit Robinson und Winnetou Abenteuer zu bestehen, in Fantasiewelten aufzubrechen, das Unbekannte zu entdecken und Gerechtigkeit herzustellen.

Wöllershof schuf den suggestiv glänzenden Rahmen, da war die parkartige Idylle mit schattigen alten Bäumen, mit Wäldern, Feldern und darin das verwinkelte Gebäude-Ensemble im Stil der märchenhaften Heimat-Schutz-Architektur, wo alle Bewohner gleich gebettet schienen, und wo es für rund 30 Mädchen und Jungen mit überbordender Fantasie wie auf der Schatzinsel war.

Wolfgang, gründete mit etlichen der Kids Seeräuber- und Raubritter-Banden und Indianer-Stämme.

Er studierte nach dem Abitur und einer schwieriger Zeit bei der Bundeswehr von 1972 bis 1978 an der Akademie der Bilden-den Künste München, bei den Malern Reimer Jochims und Jürgen Reipka.
1979 bis 2014 arbeitete er als Kunstlehrer am Elly Heuss Gymnasium in Weiden, 1984 - 2002 war er auch Kommunal-Politiker, engagierte sich für Themen der Ökologie-Bewegung und war als Mitglied der Bürgerinitiative Weiden im Widerstand gegen die WAA Wackersdorf tätig. 1993 wurde er Mitbegründer des Kunstverein Weiden e.V., dessen künstlerischer Leiter er bis heute ist.

Herzers eigene künstlerische Idee hat sich in der Auseinandersetzung mit den zeitgemäß nicht-figurativen Auffassungen seiner Lehrer Reimer Jochims und Jürgen Reipka entwickelt. Die Auseinandersetzung der beiden im Wesen extrem unterschiedlichen Künstler bewegte sich um die elementaren Farb-Form-Beziehungen und hatte Möglichkeiten gefunden, sie auf expressivem bzw meditativem Weg zu ganz unterschiedlichen formelhaften Ergebnissen zu führen.

Jochims stellte dabei die Eigen- oder Flächenräumlichkeit der Farbe, die vom geometrischen Raum und von den farbtragen-den Objekten unabhängig ist, in den Vordergrund seiner Arbeit und fand unverwechselbare Wege, beides in eine adäquate Balance zu setzen und dabei die Farbe in ihrem Selbst zur Erscheinung zu bringen.

Reipka verzahnte eine eruptiv gestische Raum-Spur mit dem klar-farbigen Rechteck als dem Kennzeichen der geometrischen Konstruktion und hat dabei ein signifikantes Erlebnis-Schema geschaffen, in dem sich die unendlichen Variationen im Verhältnis von Emotion und Verstand durchexerzieren lassen.

Herzer interessiert sich dabei für die politisch-gesellschaftlichen Implikationen dieser Auffassungen und der Ästhetik überhaupt, die das Kunstwerk auch als Wahrnehmungsschule und Appell für ein umweltgerechtes Verhalten betrachtet.

Aus diesem Grund stellte er das eigene bildnerische Schaffen zeitweilig zurück und setzte sich mit einem ökologisch akzentuierten Begriff der Public-Art auseinander, den er seit 1982 auf mehreren Ebenen auch in Form praktizierter Real-Politik umsetzte, unter anderem dadurch, dass er im Jahr 2000 das Haus Ledererstrasse 6 in Weiden gemietet und der alternativen Kulturszene als Treffpunkt geöffnet hat.

Bis heute sind damit vor allem Projekte, Ausstellungen und Aktionen an der Schnittstelle Kunst, Politik und Privatem gemeint. Dabei geht es um Stadt-Entwicklung, Stadtmarketing, Bildung: Kooperation mit den bayerischen Kinder- und Jugend-Kunstschulen, mit Gruppen der Umweltbewegung, mit der regionalen Filmszene, mit deutschen und tschechischen Kunsthochschulen und der Technischen Hochschule Amberg-Weiden. Besonderes Augenmerk liegt auf dem regionalen künstlerischen Nachwuchs, dafür erhielt Herzer 2011 den bayerischen Kulturpreis.

1999 initiiert Herzer mit Oberpfälzer Kunst-Einrichtungen die Gründung der Kulturkooperative Oberpfalz KoOpf, die als Marketing-Verbund für Gegenwartskunst der Kunst-Landschaft Oberpfalz Impulse geben, überregional bekannt machen soll und heute an die 20 Mitglieder umfasst.

Herzers eigenes, im engeren Sinne künstlerisches Werk, das einen vor allem zeichnerisch-linearen Schwerpunkt erhalten hat, entwickelte sich über die Jahre in unterschiedliche Richtungen: serielle Zeichnung, Malerei, Objekt, Landart.

Dabei hat die Neigung des Künstlers zum Erzählerischen hin die Führung übernommen, die Neigung zu Wimmelbild und Bildergeschichte war von Anfang an wirksam gewesen und hatte in der Abgrenzung zu den akademischen Einflüssen ihr eigenes Format gesucht.

Das war schließlich gegeben, als aus der ursprünglichen ?Akkumulation? von Comic-Dreiteilern für die Kinder über zwei Jahrzehnte ganz beiläufig 2019 ein hoher Berg geworden war.

Zwischen 1999 und 2005 befasste sich Herzer zeichnerisch vor allem mit einer bildnerischen Stenographie für die visuellen und haptisch-körperlichen Erinnerungen an Schlüssel-Erlebnisse seines Lebens, sie ist von den Form-Vorgaben des Hammers abgeleitet, liegt stilistisch zwischen Konkreter Kunst und Informel und steht damit auch in einer Verbindung mit den reproduktiven Vorstellungen seines Lehrers Jürgen Reipka.

Die mittlerweile 21 Comic-Geschichten "Die Lückenknüllerkids ? Geschichten aus Everywen", die 1995 als Illustration zur Hausordnung für die eigenen ?Kids? anfingen, haben in graphischer Hinsicht, in der Kürzelhaftigkeit und Ornamentalität ihrer Ausführung eine ähnliche Wurzel, die Lesbarkeit der Handlung ist relativ offen, sie entsteht im Spannungsfeld und Grenzbereich zwischen Erzählung und Bild.

Hier entspringt aus Metapher, Kalauer, graphischer Laune und einem grundlegend anarchistischen Naturell die Lebenswelt von "Everywen", eines bizarr-arkadischen Kosmos, in dem Niemand "erwaxen" wird und alles auf eigene Weise Hand und Fuß hat.

Ihr offizieller Autor ist Omar Sheriff, ein unbekannter junger Mensch mit einer Tüte über dem Kopf, der seit 2001 in den Geschichten auch selber auftritt. Dabei spielt er mit Moti-ven von Herzers Familiensaga und Weidens jüngerer Stadtgeschichte. Er weiß Bescheid, weiß aber nicht alles.

Die Hauptpersonen, die vier Lückenknüllerkids Hier-Wohne-Ich, Hier-Soll -Es-Schön-Sein, Melo und No-Nein, haben mit ihren vier Ältern Woo-Fi, Vulkana, Mathurn und Grosse-E und vielen anderen Everywenern eines gemeinsam. Sie scheinen wie die Figuren eines Brettspiels keine Arme und Beine zu haben.

Fällt gar nicht auf.

Es geht ja.